Vielfalt Wald

Donnerstag, 2.5.2024

Walderlebniszentrum Tennenlohe, Erlangen 

Nach Begrüßung und Einführung durch die forum1.5 Mittelfranken-Vorstände PD Dr. Klaus Geiselhart und Prof. Dr. Achim Bräuning stellte Dr. Christian Kölling, Bereichsleiter Forsten im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Regierung von Mittelfranken, seinen Vortrag vor.

Dr. Christian Kölling – „Wälder in Bewegung. Wie können klimaangepasste Wälder aussehen?

Inhalte des Vortrags:

  • Wälder müssen neues Klima lernen
  • Klimawandel schafft südlicheres Klima (submediterran), vergleichbar Südfrankreich
  • Zwillingsregionen – Regionen, die heute unser Klima von morgen haben
  • Einige Arten werden gehen, andere dazukommen
  • Risiko streuen – Wald wird bunter
  • Naturnah unterstützte Wanderung (assisted migration) von Bäumen
  • Bild vom „Klimazug“, Bäume kommen mit Klima
  • Nicht ganze Wälder abholzen und neu pflanzen – „Bedachte Anreicherung“ (considered enrichment)- Trupppflanzungen
  • Resultat: Mischung von alt und neu
  • Möglichst viel von der Natur machen lassen – nur räumlich begrenzt Neuan-pflanzung
  • BAU business as usual – Inkrementelle Innovation – Transformation (neue Methoden, neu Ziele). Im Moment muss man leider festhalten, dass die Forstwirtschaft beim Waldmanagement dieselben Prioritäten weiter beibehält wie im Moment (ökonomische Maximierung des Holzertrags) anstelle auf die Optimierung ökologischer Serviceleistungen umzuschwenken
Dr. Christian Kölling

Chritian Kölling (Foto: Michael Wichert)

Im Anschluss an den Vortrag wurden im Rahmen einer Fragerunde noch folgende Aspekte angeschnitten:

  • Es fehlte bei den entsprechenden Stellen lange das Bewusstsein, deswegen setzte der Waldumbau angesichts der schon lange bekannten Fakten zum Klimawandel so spät ein.
  • Die Mischung aus alten und neuen Baumarten sollte auch (seltener werdende) harte Winter gut überstehen.
  • Bei einem theoretischen Kollaps des Golfstroms und damit einhergehender (lokaler) Umkehrung des Klimawandels können die noch vorhandenen alten Arten den Wald erhalten
  • Der Vergleich konzentriert sich auf Nord-Süd-Richtung, nicht aber auf Ost-West – im kontinentalen Osten sind die Winter zu lange und zu streng, wohl auch in Zukunft
  • Die heimischen Böden sind nicht zwingend vergleichbar mit denen in den Zwillingsregionen; inwieweit sich die Arten an andere Böden anpassen, ist Teil der Untersuchungen

Danach ging es unter der Moderation von Prof. Dr. Beatrice Dernbach (TH Nürnberg, Beirätin des forum1.5 Mittelfranken) in die Diskussion, neben Dr. Christian Kölling bestritten von Dr. Jürgen Schmidl, Department Biologie, FAU Erlangen-Nürnberg, Martin Stümpfig, Forstwirt und Mitglied des Landtags (Bündnis 90/Die Grünen) und Dr. Wolfgang Kornder, Theologe und 1. Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbands (Bundesverband). Wesentliche Statements:

Dr. Jürgen Schmidl:

  • Fehler im Waldbau schlagen jetzt zurück
  • Bottle neck – Welche Arten kommen in Frage?
  • Gefahr durch Neophyten (Douglasie, amerikanische Roteiche etc.), die einheimische Arten verdrängen, statt zu koexistieren
  • Wofür sind Landschaftsschutzgebiete gut, wenn lt. Gesetz bzw. jeweiliger Verordnung darin „ordnungsgemäße Waldwirtschaft“ zulässig ist, dies aber nicht definiert wird?
  • Rückegassen – hierdurch wird sehr viel zerstört (bei mechanisierter Ernte – 60% Jungeichen kaputt)
  • Viele Schutzgebiete sind bereits so weit transformiert, dass Eingriffe nun zwingend sind

Martin Stümpfig:

  • Waldumbau wird im Landtag weitgehend ohne Sachverstand diskutiert (MS einziger Forstwirt im Wirtschaftsausschuss)
  • Ernüchternde Verteilung von Zuständigkeiten in der Staatsregierung
  • Große Probleme werden (zu) langsam erkannt – Bsp. Buchen; vieles wird immer noch verdrängt bzw. vom Blick „aufs Geld“ überlagert
  • Wildbestand müsste massiv reduziert und Umtriebszeit verlängert werden
  • Immerhin müssen die Einnahmen der Staatsforste nicht mehr in den allgemeinen Haushalt fließen
  • Fichte ist immer noch durchsetzungsstark
  • Energetische Nutzung von Holz: Wenn alle geplanten Hackschnitzelanlagen realisiert werden, bedeutet das 15% mehr Holzbedarf! -> Holz sollte nur für Spitzenlast (bei tiefen Temperaturen) eingesetzt werden und nicht im Neubau – dort ist die Wärmepumpe viel sinnvoller
  • Solche Differenzierungen lassen sich jedoch in der oft aufgeheizten politischen Debatte nur schwer vermitteln
  • Windräder nicht in Konkurrenz mit Wald – könnten gut zusammengehen; Einnahmen aus Pachten sollten wieder in den Wald gesteckt werden
  • Funktion des Waldes als CO2-Speicher müsste monetarisiert werden

    Dr. Wolfgang Kornder:

    • Ziel des Ökolog. Jagdvereins: Waldfreundliche Jagd (naturangepasste Jagdbestände herstellen) und somit natürliche Waldverjüngung erreichen
    • Wildverbiss v.a. bei bestimmten Arten (Edel-Laubhölzer), vor allem in Strauchschicht, krautige Pflanzen (Eiche, Kirsche, Ahorn, Buche) -> verhindert den Waldumbau/ die natürliche Waldverjüngung
    • Natürliche Waldverjüngung ist der Aufforstung vorzuziehen, denn gepflanzte Baume haben beschnittene Wurzeln, haben deshalb nicht die gleiche Stabilität wie natürlich gewachsene Bäume
    • Richtige Bejagung ist essentiell für natürliche Waldverjüngung, wird jedoch leider aus diversen Gründen nicht ausreichend umgesetzt: Probleme in der Wildfleischvermarktung, andere Priorisierung, falsches Leitbild („Trophäen-schau“), das letztlich auf das Reichsjagdgesetz zurückgeht
    • Der Wald zeigt letztlich, ob die Jagd stimmt

    Zusammenfassende Resümees und Publikumsfragen:

    Christian Kölling:

    Es ist sehr schwierig, das als richtig Erkannte mit der Politik usw. umzusetzen! Mit inkrementeller Verbesserung allein klappt es nicht (lediglich Abschussquoten etwas hochzuschrauben, reicht nicht). Es muss die Frage gestellt werden: Was muss ich jetzt tun, wenn ich ein bestimmtes Wald-Zielbild im Jahr 2100 haben will (rückwärts denken).

    Martin Stümpfig:

    „Weiter so-Kommunikation“ seitens Staatsregierung suggeriert, dass sich nichts verändern müsste und führt damit in die Irre; engere Kontakthaltung mit der Wissenschaft statt politische Zuspitzung wäre wünschenswert –

    Wolfgang Kornder:

    Bewusstseinsbildung ist ein „haariges“ Feld; Gier des Menschen ist ein Hauptproblem (Egoismen sind vielfach stärker als die Vernunft); „Weniger ist mehr“ muss als Leitbild in die Köpfe

     

    Impulse aus dem Publikum:

    • Holzenergie-Pakt heute verabschiedet (u.a. Städte- und Gemeindetag), fordert u.a. „Entbürokratisierung“ -> wird als katastrophal eingeschätzt, geht im Hinblick auf Artenvielfalt in die völlig falsche Richtung, Bsp. Totholz (Schmidl)
    • Zur Biodiversität – Tierwelt: Was kann man Waldbesitzern an die Hand geben, um Artenvielfalt zu befördern/entsprechendes Verhalten zu belohnen? -> entgeltliche Anreize müssen gesetzt werden (Kornder)
    • Starke Beharrungskräfte („haben unsere Altvorderen auch schon so gemacht“) verhindern oft Fortschritt, wenngleich eine gewisse Akzeptanz schon da ist
    • Sollte die Kernzone des Bayerischen Waldes weiterhin unberührt bleiben, vergleichbar einer „Kontrollgruppe“? -> Klimawandel macht einerseits vor Reservaten nicht halt, müssen beobachtet werden, ob assisted migration auch da nötig wäre (Kölling); Nationalpark als höchste Schutzgebietskategorie aufzuweichen ist aber politisch problematisch, Gefahr des Dammbruchs (Stümpfig)

    Nach einer Endrunde, in dem sich die Diskutanten einander zusprachen, mit wem sie „demnächst in den Wald gehen und eine Aktion starten“ würden, klang der erste Tag des Frühjahrsforums zunächst bei individuellen Gesprächen, sodann bei einer Insektenbeobachtung im Freien aus.

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